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„Tapetenwechsel“, Collagen und Malerei
„Tapetenwechsel“ – überschreibt sich diese Ausstellung und legt mit den ausgewählten, geradezu duftenden Abbildungen auf der Vorderseite der Einladungskarte einen gefühlt glückhaften Ausflug ins Land der gediegenen Träume nahe. Schön sieht das aus, und irgendwie ungetrübt… und voller Sehnsucht möchte man mehr davon. Selten genug, dass uns die Künste in unseren Tagen mit Wohlklang erfüllen.
Abwarten – mutmaßt man zu Recht. Und doch spüren wir eine Aura, die uns nichts anhaben will – eine leise aber nachdrückliche Aufforderung zum Tanz? Wohin die Reise auch gehen mag – das Einlassen darauf bedarf keines weiteren Anstoßes. Also zunächst, es handelt sich hier in seinem Urgrund zu einem großen Teil um wahrhaftig und mehrfach abgetragene Schichten von Tapeten beziehungsweise Tapetenresten. Die, von der Künstlerin wieder neu zusammengestellt, fortan ihr schichtenreiches Eigenleben als Collage führen dürfen; fließend und in ihrem Verlauf akzentuiert. Mal legt die Meisterin eher intuitiv Hand an, belässt und kombiniert die Artefakte nach Stimmungswerten. Ein anders Mal fügt sie zu: Eigenes, Anderes, Schrift, Überdrucktes… selbst im scheinbar spießigsten Detail atmet Anmut. Schon das allein ist ein Kunststück. Ihre Malerei setzt Akzente, stiftet Ruhepunkte oder Leuchtinseln, die insgesamt eine zauberhafte Ästhetik auswiegt.
Und aber – naturgemäß – wie kann es anders sein,- bei Kunst von Christina Pohl: ohne Hintersinn, ohne stabile Täuschung sind sie wohl nicht denkbar, die ersehnten Blütenträume. Letztlich werden sie ihre „Geschichte in Schichten“ nur mit den wechselnden Untertönen auch tun können: heiter, surreal, einfühlsam, aufjauchzend, - ein anderes Mal: kaltlächelnd, demaskierend – letztlich als „Poesie des Vergänglichen“ womöglich? Wohlmöglich!
Die Leichtigkeit des Seins, ihre zarte Transparenz wird immer ein wenig beschwert, besiegelt durch ihre Zu - taten. Am Ende finden wir uns alle auf diesem unglaublichen, roten Sofa wieder – eine Wahnsinns – Metapher! Von da aus, das verspricht die Künstlerin, geht es himmelwärts – die Melancholie im Gepäck und die Gewissheit der sanften Rückkehr. Der Duktus dieser Malerei hält, was er verspricht; ein Schlüsselwerk – wie ich meine.
Ich bin ja eh‘ eine große Verehrerin ihres reichen, sehr eigenwilligen malerischen Werkes, ihren Irrgärten, Paradiesen, „Himmel- und Wäschestücken, ihren Tassen-, Blumen-, Stuhlporträts…, die als Lebens- und Beobachtungsmetaphern den Reigen Pohl ’scher Weltanschauung markieren.
Empfindsam und klar, spielerisch und raffiniert besingen sie schwelgend ihre Harmonien, nur um sie im selben Atemzug den Registern empfindlichster Störungen in die Arme zu legen. Eine Liebkosung der besonderen Art. Wenn sie zu „guter Letzt“ ihre Prächtigkeiten im Bilde bis ins Zeichenhafte reduziert, hat das zuallererst mit ihrer Faszination dem Ornamenthaften gegenüber zu tun. Die große Neigung zum Ornament und zum Muster fließt von Beginn an in ihre Arbeiten ein. Ein verrückter Anspruch und eine Gratwanderung – zwischen sinnlicher Malspur und Linearem, Ornamentalen. Doch, sie dürfen schalten und walten, unter strenger Regie natürlich, bis sie dem Raum den Charme abgejagt haben und der Fläche huldigen dürfen – solange bis die Dinge sich mal wieder wenden werden.
Aber genau da schließt sich der Kreis und die Collage kommt auf‘s Tapet! Keine Gewaltentrennung also zwischen den Genres. Collage, die alte Liebe, die immer mal wieder aufflammt, sich einbringt. Im Grunde bedingen sie sich, sind sie doch beide dem Ornament aufs Köstlichste zugetan. Welch ein reicher Fundus diese Schau hier für uns bereit hält!
Christina Pohl sucht nicht! Sie findet. Das ist übrigens vornehmlich bei solchen Menschen, auch Nichtkünstlern manchmal so, die wach und aufmerksam und mit einem Gespür durch das Leben gehen. Eigentlich ist es nicht von Belang, dass das Haus vor dem sich der unansehnliche Berg aus Abrissfragmenten türmte, in Prenzlau steht. Von dort stammen die Tapetenfragmente für die Collagen. Es ist auch nicht von Belang, ob man es nachvollziehen kann, woher es kommt, das intensive, geradezu leidenschaftliche Verlangen der Künstlerin an sowas:
An einem stinkenden Haufen von Fetzen und Dreck, die gewöhnlich bei Grundrenovierungen in Häusern oder Wohnungen anfallen, wenn deren Bewohner vielleicht gestorben sind, oder ausgezogen. Da liegt es nun, das alte, nutzlose Zeug – ein Schandfleck, unbedingt zu entsorgen auf nimmer Wiedersehen. Denn von Stunde zu Stunde ist er jämmerlicher anzusehen, abgestraft von Wind und Wetter – weniger wert als nichts. Und doch ein Objekt der Begierde, ein Reiz, der seine Vorahnungen in sich trägt … Und schon beugt sich der Rücken – dem Misthaufen zu. Da blitzt es bereits und sogar ein wenig silbern auf, - grad bei dem Licht, - ein paar Fetzen, – Blumen,- und Blattberankt. Zwei davon baden sich bereits ihr Chlorophyllgrün in der nahen Pfütze aus, und damit die letzte Hoffnung … Unterm Schmutzrock bieten sie sich an, in letzter Verzweiflung – die zerkleinerten, kleinlauten Botschaften von Irgendwas.
… Und irgendwie, in einer fast peinlich zu Herzen gehenden Mischung aus Scham und obszöner Preisgabe … Dafür hat Christina Pohl einen Sinn. Sie ahnt sie, die Versatzstücke der Wände die Ohren haben … und was sie nicht alles mit angesehen haben. Vorgänge: banal, intim, Hoch und Tief und lebenslänglich – ebenso austauschbar wie einmalig. Nein, das nur nicht dem Müll übergeben, übereignen! Spuren bewahren, und dann hinter Glas!
Die beherzten Pfötchen der Künstlerin raffen an, stecken ein, transportieren sie ab, die Stinkefetzen, wie ungeborene Schätze nach Hause, ins Atelier. Ja, aber – ein bisschen Fantasie muss man schon aufbringen, und sehr verehrte Gäste, so einfach ist sie eben nicht zu haben, die Poesie.
Trocknen, säubern, glätten … Wo sie wohl beheimatet waren, in welchen Räumen, mit welchen Menschen? Die seltsame Wahrnehmung: stockende Stimmen, Fetzen von Berichterstattung, ohne Konsens, ohne Anfang, ohne Ende, Bruchstücke – oder doch nur ein Knistern? Nein, es ist wahrnehmbar, das Lachen, Wimmern, Stöhnen, Schlafen, Kochen, Putzen … Reden – geeignet zum Auffangen und Fortsetzen und Weiterspinnen. Die Ideen und Fortsetzungen gewinnen Gestalt. Die Assoziationen, Mutmaßungen, Gewissheiten . Weiß der Teufel was. Die Feiern, die Einsamkeiten, geschimpfte Worte und tröstende, geweinte Tränen und gelachte, über das Haar gestrichen, der bierselig erzählte Witz unter der Gürtellinie, Königsberger Klopse, Beischlaf, Hustentropfen … „Vom Eise befreit sind Strom und Bäche durch des Frühlings holden belebenden Blick.“ … Der frisst das nie, der Junge. Resignation. Eine glatte 5.
Sehr verehrte Gäste, es wird ihnen ebenso ergehen … „das Muster kenne ich auch! Die Tapete war bei meinen Eltern im Esszimmer“ und so weiter und so fort. Und so sind sie gemacht. Und so sind sie gedacht, die Collagen von Christina Pohl. Man kann die Dinge also getrost unter dem Erinnerungsaspekt konsumieren. Natürlich ist das Kunst. Aber die Hierarchie braucht sich nicht zu verteidigen. Im Prozess des Machens dominieren natürlich die Erwägungen: was passt zusammen, welche Idee könnte dahinter aufscheinen. Ein Beispiel vielleicht: Osttapete wird mit einem Schnittmusterbogen aus West-Zeitungen verheiratet. Die Moral von der Geschicht: friedliche Lösung des Ost-West Konfliktes. So kann es gehen.
Oder. Die Titel spielen eine Rolle. Weiß gar nicht ob die Arbeit hier dabei ist. Eine heißt jedenfalls „Ahoi“. Fototapete: Sonnenuntergang im Wasser, darauf ist ein winziges stilisiertes Bötchen aus Goldpapier platziert. Die Künstlerin hatte dabei die verschiedenen abenteuerlichen Fluchtversuche in den 70-ger Jahren im Sinn. „Republikflucht“ als Titel undenkbar! Zu platt und zu dem noch eine Verharmlosung im Zusammenhang der Wahl ihrer künstlerischen Mittel. So dünn ist das Eis! Und so weit entfernt ist das Ansinnen der Künstlerin vorm Politisieren. Es geht Christina Pohl um Seh - hilfen, Anregungen, den möglichen Geschichten auf die Beine helfen. Die Moritaten können ins Lustspiel wechseln und bleiben dennoch wahr. Manchmal zielen sie aufs Inhaltliche, immer aber formulieren sie sich über die Ästhetik. Beides zusammen produziert Gefühle. Das Spektrum darf auseinander klaffen, wie die Empfindungen: lustig, unheilvoll oder romantisch eben. Umkreisen von Alltagsbanalitäten und Alltagswichtigkeiten, Wiedererkennen, Erinnern.
Dabei bekommen wir nichts Näheres, nichts Konkretes zu erfahren! Keine konkreten Ängste, kein konkretes Glück. Aber manchmal wird da was transportiert; kann sein, irgendetwas wird dir zu nahe, zu schemenhaft vielleicht. Der Anfang einer Erinnerung …
Dann ist es das Schöne, bei der Kunst von Christina Pohl, hast du immer die Wahl und die Freiheit der Interpretation. So geht es auch den Grünpflanzen, die zum Hauptmotiv einiger ihrer Bilder, - die Wände der Galerie zieren. Herrlich, diese ewig aus der Mode gekommenen ehemaligen Freunde. Büropflanzen, Gummibäume, Monstera, Sansevierie … Mit denen darfst du dich heute bei Strafe deines Unterganges nicht umgeben. Der Versuch – diese als feines Geburtstagspräsentchen zu wählen, ist die Reaktion wert. Christina Pohl singt ihnen, den unschuldig verlachten Pflanzen, ein freundlich malerisches Lied und erhöht sie so zum gültigen Bildobjekt. „Mir gefallen sie“, sagte sie. „Mir auch“ sagte ich. Und wir fühlen uns schon deshalb erhaben über Mode und Trend. Aber die Grünpflanzen sind sich ein weiteres Mal nicht sicher in ihrer Unsicherheit, ob sie sich nun deshalb freuen sollen darüber, oder sollte man sie ein weiteres Mal, der Erhöhung wegen, bedauern?
Aber wir wissen ja, das Schöne bei Christiane Pohls Kunst ist, man braucht sich nicht zu entscheiden! In diesem Sinne, entscheiden sie sich für die Chance reicher Assoziationen und Sehfreuden und das nächste Mal – für die Rettung vorgeblicher Misthaufen. Man sieht ja, was sie da herausmendeln kann.

Ausstellungseröffnung 04.02.2016, 19.00 Uhr, Kulturring Berlin e. V. , Ernststraße 14-16, Berlin 12437 Berlin, Laudatio : Petra Hornung

„Augenweiden“ - Kloster Chorin
Kunst in einem ehemaligen Infirmarium auszustellen, kann auch Programm sein. Kunst als Gedanken und Wahrnehmungserweiterung, als Änderung der Perspektive, als Reflexion, manchmal als Moment des Innenhaltens kann ein anders Sehen hervorrufen und vielleicht auch heilsam werden.

In den Vierziger Jahren hat Alberto Savinio - Schriftsteller, Komponist und bildender Künstler - eine Definition seiner Kunstauffassung gegeben, die eine faszinierende Qualität des Stilllebens und der Landschaftsmalerei in der Kunst der Moderne umschreibt. Er sagte: „Es geht darum, Dinge zu sehen, die auch die anderen sehen, jedoch in einem Augenblick, in dem die anderen nicht hinsehen und die Dinge ihre starre Pose ablegen, sich hingeben, ruhiger atmen.“

Als ich die Bilder von Christina Pohl zum ersten Mal sah, schwebte bei mir dies „anders sehen“ im Hinterkopf und noch einige – nicht meine! – Einführungsworte, die meine Betrachtung begleitet haben. So bin ich nicht die erste, die bemerkt hat, dass die Bilder durch ihre leuchtende Farbigkeit beeindrucken und dadurch, dass sie vertraut, zuerst sogar fröhlich einstimmend wirken, jedoch gleichzeitig von einer gewissen Zurückhaltung geprägt sind. Tische, Stühle, Wände, blockhafte einfarbige Flächen sind im Vordergrund freundliche aber bestimmte Grenzen. Sogar eine subtile Verunsicherung begleitet die Begegnung mit Landschaften und alltäglichen Dingen, weil sie eine letzte Distanz bewahren und, trotz ihres Spiels mit Wiedererkennung und Alltäglichkeit von Orten, Objekten und Situationen sind sie nie Abbildungen.

So bin ich auch länger betrachtend vor den Bildern geblieben. Ich habe mich gefragt, was es eigentlich ist, dass diese Bilder ausmacht, warum etwas so freundliches, farbiges, nicht wirklich surreales, sondern vertrautes, trotz allem eine gewisse Spannung behält. Und ob es diese fein erzeugte Spannung ist, die dazu verleitet, die Bilder intensiver zu betrachten. Man achtet auf Details, interessante Ornamente, Tassen, Krüge, Stuhllehnen, Häuser, um immer wieder zu bemerken, dass man sie nie einzeln aus dem Bild herausziehen kann, sondern dass sie zu einem Komplex gehören von Linien, Farben und Formen, die genau so präsent und unmittelbar wahrnehmbar sind, wie die Erinnerung an die tatsächlichen Dinge.

Die Wahrnehmung schwenkt von einer dreidimensionalen Welt zu einer rein Malerischen, zu der zweidimensionalen Fläche der Farbe und der Leinwand. Der Versuch, oder die subtile Provokation, diese zwei Ebenen – die Dreidimensionale der Erinnerung und die Zweidimensionale des Bildes – zusammen zu bringen, und in einen zwingend logischen Zusammenhang zu stellen, zeigt ironische Momente: Die vordere Tischdecke mit Blumen findet sich hinten im Garten und Wiese wieder, Hintergrund und Vordergrund beziehen sich aufeinander, tauschen ihre angebliche Reihenfolge. So können sie Räumlichkeit hervorrufen und sie gleichzeitig wieder negieren. Und dann vermischen sich erschaffene Objekte und Natur. Das Muster von Tüchern und Sonnenschirmen ist Naturersatz, Bäume, Wiesen und Hecken ähneln Häusern und geometrischen Konstruktionen. Einige Elemente werden sogar durch Wiederholung immer vertrauter: Stühle, Stuhllehnen und Sessel kehren immer wieder, sie verstecken sich oder lassen dank Ihrer Form durchblicken, erzeugen ein räumliches Hintereinander und manchmal auch einen Ruhepol: Sie, die Stühle und die Sessel, setzen sich vor die offenen Flächen.

Die Spannung ergibt sich also aus verschiedenen Oppositionen: Die kalten Farben werden irgendwo mit einem warmen roten oder gelben Element in ihrer Undurchdringlichkeit gebrochen. Weiße Formen – Häuser wie Vasen – finden Halt in dunkleren Kontrasten. Blau, Hellblau oder Weiß werden zu Raum, Boden und Wände, sie halten alles zusammen und stellen wieder alles in Frage weil sie Leere sind und Luft und sowieso hier zweidimensional.

Auch manche feinen Muster und Ornamente stören elegant die Erinnerung an Volumen und an die Beschaffenheit der Dinge und übernehmen alles. Wände wie Tische, Blumen wie Vasen, wie Stoff: Alles findet ineinander, alles ist Malerei. Und wenn sich doch einige Elemente dieser Vereinnahmung entziehen, erzeugen sie einen collage-ähnlichen Effekt und eine hohe graphische Qualität, die sich als gekonnte Gegengewichte erweisen.

Insgesamt komme ich einem raffinierten Gleichgewicht auf die Schliche, zwischen einladend und distanziert, Zusammenhalt und Verlust. Und es ist nicht selbstverständlich, die Fläche bis zum letztmöglichen zu ziehen, die Spannung zu halten und eine Dichte zu erzeugen. Christina Pohl, ihre Bilder schaffen das.

„Einfach“ sind sie nicht: Auf den ersten Blick verführerisch klar, auf den zweiten verunsichernd und mit jeder weiteren Betrachtung raffiniert mehrdeutig. Die erste Wahrnehmung wird bereichert und von einigen Sehkonventionen befreit. Eine „Augenweide“ oder die „Augen-weiden“ eben.

In dieser Ausstellung stehen Landschaften und Stillleben im Mittelpunkt. Aus unterschiedlichen Jahren, teilweise mit unterschiedlichen stilistischen Merkmalen: Es handelt sich jedoch Konsequent um eine Auseinandersetzung mit der Malerei selbst, und mit dem, was eigentlich nur das Bild selbst zeigen kann und unbeschreiblich bleibt.

Einführung von Dr. Lisa Fenzi, 2016

VögelFischeMiederwaren
...Die stille, geradezu nüchterne Art der Beobachtung der Dinge durch Christina Pohl hebt diese aus ihren gewohnten funktionalen Bedeutungszusammenhängen heraus, sie vereinen sich in Reihen, Paaren und malerisch kontrastierenden Gruppen oder stehen für sich allein, bildwürdig und würdig zugleich, Portraits von Teekesseln, Unterhemden und Plattfischen, Gruppenbildnisse von Birnen und Bohnen.
Über den Ernst der dinglichen Erscheinung breitet sich jedoch immer ein Wölkchen Heiterkeit. Der Garten in Christianenhof liefert der Malerin neben der reichen Ernte eßbarer Früchte und schöner Blüten auch eine Fälle unverbrauchter Farbklänge und Formen, die sich in jedem Jahr verändern und zyklisch erneuern.
Aus den Gegebenheiten entsteht eine weibliche Sichtweise, als deren Eigenschaften unaufdringliche Präzision, Geduld und Gelassenheit aufgrund der erfahrenen Wiederkehr des natürlichen Kreislaufes benannt werden können. Auch der bevorzugte Einsatz rundlicher Objekte als eine Art meditatives Zentrum der flächigen Komposition ist in dieser Hinsicht auffallend.
Das Spiel mit Formen, die sorgfältig auf der Leinwand verteilt werden, mit Mengenkontrasten oder Wiederholungen des immer gleichen Gegenstandes in Variationen, ist ein zentraler Aspekt der künstlerischen Neugier Christina Pohls. Es gibt keine logisch zu begründenden Hierarchien der Sujets und Bildelemente mehr, sondern nur noch Formen und Farben, die ganz eigene, der bildlichen Darstellung angemessene Beziehungen pflegen.
Ein weiteres Moment künstlerischer Erkundung ist für Christina Pohl das Zusammenstellen von raffinierten Farbklängen, die dissonant bis harmonisch sein können, manchmal genau dazwischenliegend. Auch hierzu werden Gegenstände, Kreaturen und Tapetenmuster von der Malerin gleichwertig behandelt und zu einer Art Farbteppich verwoben. Sie fungieren als farbige Flächen innerhalb einer Bildkomposition und werden höchstens zur Identifizierung knapp und unregelmäßig mit einzelnen starken Linien umrissen. Es ergibt sich ein außerordentlich malerischer und sehr lebendiger Gesamteindruck, der durch vibrierende, pastose Oberflächen noch verstärkt wird. Das in einen Kreis eingeschriebene Orange der gleichnamigen Frucht wird in diesem Falle zum Signalzeichen, zum Konzentrationspunkt des Bildes, in den sich der Blick des Schauenden versenkt.
Kunstgriffe, wie die der byzantinischen Malerei zugrundeliegende umgekehrte Perspektive- man könnte sie auch als kindlichen Blickwinkel deuten, dem alle Ansichten einer Sache gleichermaßen wichtig sind -verfremden die gewöhnlichen, gewohnten Motive derart, daß sie ein Eigenleben zu führen beginnen: Ein weißer Tisch tänzelt, das geblümte Sofa schaukelt, ein lachsroter Teller schwimmt über das türkisgrüne Meer des Tischtuchs, begleitet vom treuen Zitronentrabanten. Auf diese anekdotischen Andeutungen bleibt das Erzählerische der Arbeiten Christina Pohls beschränkt. Sie sind zuallererst klare Form- und Farbgebilde, unmittelbare visuelle Eindrücke, die aus genau beobachteten Naturerscheinungen und gewitzt aufgereihten oder verspielten Ornamenten zusammengesetzt sind.
Nimmersatt bleibt das Auge des Betrachters zurück, dessen Sehappetit vor der stillen Größe der strengen Darstellungen nicht geringer wird, denn die Bilder strahlen immerzu Sinnlichkeit aus.

Dörte Kurzerhand, Berlin 2002, Katalogtext, Auszug

himmel weit
…Christina Pohl mit ihren flächig gedachten leuchtenden Bildern verknappt das Detail zugunsten einer Bildkomposition, die mehr am Dialog von Form und Farbe interessiert ist als an einer realistischen Wiedergabe der Dinge. Von der kunsthistorischen Dimension her wirken sie wie vom Leben beglückt, blühend dort, wo sich Matisse und Werner Heldt nie begegnet sind,im Spröden und Reduzierten, umsäumt vom aufjauchzenden Ornamentalen. Christina Pohls Bilder sind im Grunde alles Tisch-Bilder, persönliche Lebensmetaphern für das Ausbalancieren von Stimmungen: Weggehen und Wiederkommen, Ankunft und Ruhe finden, für die Suche nach einer Insel der Sicherheit und des Erfülltseins.

Christoph Tannert, Ausstellung im Kunsthaus Hohenwalde, 9. Juni 2007 mit Walter Gramming und Ushi F., Agnes Gramming-Steinland, Volker Henze, Lutz Kommallein, Bernhard Leue, Doris Leue, Astrid Mosch, Gisela Neumann, Christina Pohl, Hans Scheib, Anne Trieba; Auszug

Menschen und Möbel
…Wir alle leben in Gemeinschaften mit Möbeln. Möbel kommt vom lat. Wort mobilis – "beweglich“. Es sind also bewegliche Einrichtungsgegenstände: Stühle, Tische, Schränke, Sofas… Wer bewegt sie eigentlich? Sind wir es selbst, oder führen sie alle gar ein Eigenleben? Hat Ihnen schon mal ein Stuhl ein Bein gestellt oder seinen Unmut an Ihnen ausgelassen? Irgendwoher müssen die blauen Flecke ja kommen. Wir kennen alle unsere Möbel genau, sie sind uns zu geselligen Begleitern geworden und sie haben ihren eigenen Charakter und werden gleichsam Teil unserer Biographie…
…Während ein weißer Tisch von Christina Pohl als „Feiertag“ tänzelt, „ein lachsroter Teller“ über „das türkiesgrüne Meer des Tischtuches schwimmt“ – so Dörte Kurzerhand –, schwebt das rote geblümte Sofa einfach so über die Bildfläche, fröhlich, aus heiterem Himmel. Ein Sofabild. Doch eh wir uns niedergelassen haben, ist es vor lauter guter Laune schon wieder davongeflogen….
Die Nähmaschine und das Maßatelier (in direkter Nachbarschaft) sind alte Bekannte. Die Bilder von Christina Pohl sind nicht harmonisch, nicht harmonisch im Sinne der klassischen Komponisten, auch nicht aufrührerisch oder revolutionär, aber dafür sind die ungleichmäßig, widersprüchlich, witzig, profan, banal, unruhig und auch manchmal melancholisch, es sind Zwiegespräche voll Ironie – Lebensbilder. Christina Pohl arrangiert Möbel mit Ornamenten, Gegenstände werden zu Flächen und die Arabesken der Stoffe, Tapeten und Teppiche dringen in unser Leben ein, treten mit den Dingen ihrer Lebenswelt in den künstlerischen Dialog. Christina Pohl: „Wie wäre es, (…) wenn sie, die Ornamente, sich verselbständigten und mit eleganten Rankenfingern allenthalben nach uns greifen und unsere quadratische, kantige Welt umhäkeln und einspinnen würden… Ich stelle mir dies als heitere, bisweilen abgründige Invasion vor, als eine lustvolle und bizarre Anarchie, die Lebendigkeit und Farbe in unseren Alltag bringt.“
Aber wir müssen auch damit rechnen, nicht nur zwischen den Stühlen zu sitzen, sondern von den überdimensionalen Blüten und Ranken ähnlich fleischfressenden Pflanzen gleich verschlungen zu werden. In dem Bild „Insel“ von Christina Pohl verschwindet der Tisch als Boot im endlosen Teppichmeer und verwandelt sich zur unbekannten Insel, Kindheitsländer genannt…

Frizzi Krella zur Eröffnung o.g. Ausstellung mit Cornelia Gutsche und Barbara Wetzel in der Galerie im Ratskeller Lichtenberg, Berlin, 2007, Auszüge

Rede zur Ausstellungseröffnung Christina Pohl, Malerei und Grafik,
Annette Tucholke , Plastische Objekte

Das ist, und mich überrascht das nicht, eine sehr schöne, spannungsreiche und anregende Ausstellung hier, eine mit einem besonderen, höchst seltenen Wohlklang…
…Und auch die einladenden barocken Gärten sind bewacht. Du kannst sie nicht einfach so betreten. Das weiße, hübsche Hundetier macht zwar einen sanften Eindruck, aber es hat scharfe Zähne. Ich, für meinen Teil, konnte seiner Wachsamkeit gerade noch entgehen, und trotzdem- der Zutritt zu den Paradiesgärten von Christina Pohl erweist sich als feingeistige, trickreiche Täuschung. Wir nehmen sie allzu gern an, diese Aufforderung zum Tanz in das Lichte, Freundliche, Anmutsvolle der Farben, bis wir feststellen müssen, just in dem Moment des ersehnten, so nahe liegenden Eintritts ins Paradies - ist der Zugang verwehrt, gänzlich versperrt. Es gibt nämlich überhaupt gar keinen Raum, den man betreten könnte! Die Täuschung kann man der Meisterin nicht vorwerfen, denn Christina Pohl raubt nicht nur dem Paradies die dritte Dimension. Das ist offensichtlich ihre ureigene Herausforderung. Und damit treibt sie seit Jahr und Tag ihr listenreiches und ernsthaftes Spiel; zu ihrer großen Freude und unserem leisen Entsetzen. Die ganze Pracht erweist sich sozusagen als Kulisse. Und doch, sie taugen jedesmal als wahre Biotope, in denen der Frieden wohnt, abgeschottet zwar aber frisch und immerhin zu besichtigen. Es ist diese Freude an der Sorgfalt, am Reduzieren, am langsamen Abtragen der Reichhaltigkeit, die ebenso zu irritieren vermag, wie sie fasziniert: Eins ums andere muss weichen. Ein großzügiger Verzicht. Die Ausflüge in die fein formulierten Unregelmäßigkeiten und Dissonanzchen, die trotzdem so wohlriechend klingen, bis sie die Unebenheiten übertönt haben, sind beredt genug... Hand aufgelegt, weggestreichelt, damit sie sich vorerst nicht mehr rühren. Sie werden mitunter zu Zwischenräumen, die uns die Luft zum Atmen lässt – auch wenn uns dabei zu Zeiten etwas unheimlich wird. Die Dinge in ihren Bildern bereichern sich gegenseitig - wie durch Zauberhand– auch oder wegen ihrer Zurückgenommenheit. Sie pflegen ihre Konturen; kein Unkraut wird geduldet. Alles wiegt sich in Respekt voreinander. Gleiche Rechte für alle. Diese Klarheit macht süchtig. Diese kunstvolle Ordnung! So was wünschte man sich im wirklichen Leben. Eine Draufsicht. Nichts entgeht Dir; keine nennenswerte Störung. Links ist links. Und rechts ist rechts. Oben, oben; unten, unten. Die Hierarchie ist abgeschafft. Und ebendiese schöne, ordentliche Übersichtlichkeit führt geradewegs ins Labyrinth; ins mehrteilige….So horizontal – wie ein Lebenslauf - oder -läufchen: keine herausragenden Höhepunkte, nun gut: mal rauf und mal runter ansonsten nur kleine unscheinbare Nuancen...
Der schöne Schein, das klare Ornament – der folgenschwere Irrtum. Teufelszeug!
Dieses geordnete Chaos lässt Dich jämmerlich und einsam in einem auf das Beste frisierten und -gestutzten Buxus verhungern. Das nämlich ist der Labyrinthe liebster Sinn.
Die Allegorien liegen auf der Hand. Die Welt in einer Nussschale zusammenfassen, das geht, wie wir sehen.

Petra Hornung, Berlin Multikulturelles Zentrum Templin, 2008, Auszüge

Lustgarten
Während im vergangenen Frühjahr eine Ausstellung von Christina Pohl in Mecklenburg den Namen Gartenlust trug, präsentiert sie uns in der heutigen Ausstellung hier in Dresden den Lustgarten.
Gartenlandschaften: Lustgarten und Gartenlust in Einem.
Ein Lustgarten, der normalerweise ein öffentlicher Park ist, versehen mit Pavillons, Tempeln und Skulpturen, Fontainen, Grotten, Amphitheatern, Zoos und Menagerien, öffnet unsere Herzen und läßt die Seele durchatmen. Es sind Gärten unter freiem Himmel – ein Fest für alle Sinne. Doch für Christina Pohl stellen sich auch Interieurs – unsere häuslichen Biotope – als Gärten, Labyrinthe oder Irrgärten dar, als Örtlichkeiten vielschichtiger Lebensläufe, Orte an denen man sucht.
Hier im Foyer stellt die Malerin Freilichtgärten den Interieurs gegenüber. Garten und Haus. Außen und Innen. Am Anfang stehen dafür fast symbolisch: Hund und Katze. Freiheit und Häuslichkeit, eingebunden in die Systeme ihrer Gefüge.
In ihren Interieurs arrangiert Christina Pohl Möbel mit Ornamenten, Gegenstände werden zu Flächen und die Arabesken der Stoffe, Tapeten und Teppiche dringen in unser Leben ein, treten mit den Dingen ihrer Lebenswelt in den künstlerischen Dialog… Sessel, Tapetenwand und Teppiche werden durch florale Übertreibung zu einem Dschungel, Blüten wachsen über Begrenzungen hinaus. Die Dinge verlieren Ihre ursprüngliche Bedeutung und werden gleichwertig, oder in Verkehrung zur gewohnten Wahrnehmung, in einen neuen ästhetisch-formalen Zusammenhang gebracht…
Inspiriert durch die Welt der Barockgärten mit ihren zentralen Sichtachsen und den Wegesystemen mit Rondellen, freien Plätzen und Baumpflanzungen – den Bosketts –, mit Labyrinthen und Parterres schuf Christina Pohl in dem Werkzyklus zu barocken Parks und Gärten eine ganz neue und eigene Bildwelt. Sie ist überwältigt, und gleichsam bewältigt sie die würdevoll überformte Natur, die Symmetrie und Ordnung, indem sie diese in Flächen, Linien und Ornamente auflöst.
Die Bilder entstanden zwar nach realen Orten, doch stehen wir hier vor Destillaten. „Es geht nicht um das Abbild, sondern um das Bild“ (Christina Pohl) – das Bild an sich. Erst in der formalen und intellektuellen Auseinandersetzung werden geistige Bilder, Sinnbilder, geboren.
Der Besuch des Barockgartens Großsedlitz von Christina Pohl liegt schon einige Jahre zurück. Sie arbeitet nach kompositorischen Skizzen, doch erst mit dem Verblassen des Unmittelbaren, des gerade Erlebten, vollzieht sich das Heranreifen der Bildidee. Die Verarbeitung benötigt Zeit. Aus dem Studium der Formen, der Räume, der Licht- und Schattenwelten erwachsen die neuen, verdichteten Bilder. Ganz in die Fläche projiziert, reduziert und abstrahiert.
Wir stehen staunend vor der Auswahl ungewöhnlicher Details gepaart mit einer tiefen Ironie, mit unkonventionellen Anschnitten, und vor witzigen Kombinationen von Profanem mit Erhabenem.
Diese Pohlsche Ironie bläst uns im Bild „Hundstag“ wie ein heißer Wüstenwind förmlich ins Gesicht. Wohl geziert und drapiert, klappt er sich – in die Fläche projiziert – vor uns auf, der barocke Garten in seiner Strenge und Symmetrie. Der Hund posiert als absolutistischer Herrscher majestätisch im Vordergrund, doch beim zweiten Hinschauen erweist sich die Symmetrie, die in den Bildern Christina Pohls immer eine scheinbare Symmetrie ist, als Täuschung. Die Malerin spielt hier lustvoll und reizvoll mit unserer Wahrnehmung. Es wiederholt sich nichts, auch wenn es manchmal so scheint. Beim Betrachten des Gemäldes „Kleinode“ erkennen wir erst auf den zweiten Blick, daß es nicht vier gleiche Amulette sind, sondern immer wieder ein anderer Palmbaum, der sich aus seinem Gehäus, einer ihn umgebenden Buchsbaumhecke, zum Lichte emporstreckt. Es sind die feinen, kleinen Unterschiede: mal sind es sechs, fünf oder vier grüne Zacken. Aber sehen sie selber und schauen auf die Diversität unseres Lebens, die uns Christina Pohl hier in ihren Bildern vor Augen führt.
Feingespür, Ironie und Wortwitz verbergen sich hinter den Titeln der Bilder: Hundstag, Heckengarten, Lustgarten, Sphinxe und Himmelstreppe.
Christina Pohl verwandelt erlebte Räume und Gedankenräume in farbige Flächen, die uns erzählen können, wenn wir uns darauf einlassen. Der Raum und die Ordnung der barocken Architektur jedoch unterliegen einer strengen Hierarchie, denn es ist eine Machtarchitektur, von der auch Bedrohliches ausgeht. So finden sich auch die Strategie der Überwältigung und das Pathos, das den magischen Orten innewohnt, in ihren Arbeiten wieder.
Hierfür steht beispielsweise die Himmelstreppe – inspiriert zweifelsohne durch Großsedlitz –, die monochrome Fläche verweist pathetisch auf die pure Malerei. Neben der strengen Heckenwand formiert sich das Baumballett, welches in dem gleichnamigen Bild zur vollendeten Abstraktion geführt wird – Rhythmus, Fläche und Farbe sind Ausdrucksträger des reinen Tanzes. Weiteren fortgeschrittenen Abstraktionen begegnen wir in den Bildern „Parterre“ und „Ornamente“ – hier verdichtet Christina Pohl die reich mit Kies, Sand, pflanzlichem und plastischem Schmuck ausgestalten Flächen des Parterre, als Teile eines durch die Ornamentik zusammengefaßten Ganzen.
Im Bild Heckengarten stellt sich die Gartenlandschaft uns als Ausschnitt aus einem Irrgarten dar. Während wir beim Wandeln durch Gärten entspannen, so werden beim Betreten eines Irrgartens „die Sinne aktiviert und der Verstand, der beim Flanieren durch den Garten nur schläfrig teil hat, angesichts der Unübersichtlichkeit des Geländes kräftig gefordert. Fragen drängen sich auf, die physische oder psychische Existenz betreffend. Doch, und das macht Irrgärten so beliebt, es ist ein Spiel und die Bedrohlichkeit ein Teil des Vergnügens.“ (Christina Pohl)
Das Labyrinth spielt eine zentrale Rolle innerhalb der hier gezeigten Werke. Es bietet sich uns eine künstliche, von Menschenhand geschaffene Struktur dar – als Gartenanlage realisiert, die geeignet ist, einen zu verwirren. In die Irre gehen zu lassen, andererseits uns auffordert, sich auf den Weg zu konzentrieren, inne zu halten, schon Gedachtes zu überdenken. Wir stehen also vor einer Metapher: das Labyrinth als Weltmodell oder als Gleichnis für unser Leben. Christina Pohl rückt das Labyrinth in verschiedene Zusammenhänge. Einmal setzt sie im „Kleinen Labyrinth“ die runden, lustig und zufällig die Wiese bevölkernden Buchsbäume, die frei im Raum bzw. auf der Bildfläche zu schweben scheinen, ins Wechselspiel zum linearen, strukturierten Labyrinth, das eine genau vorgegebene Form beschreibt. Ein anderes Mal – in dem Gemälde „Großes Labyrinth“ – experimentiert sie mit abstrakten Flächen, die streifenförmig übereinander angeordnet den Ausschnitt eines Labyrinthes in uns wachrufen. Das lange Labyrinth dagegen, bestehend aus fünf Fragmenten, zieht rhythmisch wie ein Lebensstrom an uns vorbei, nein nicht vorbei – wie ein Sog zieht es uns in das Labyrinth hinein, die Linien und Farben fließen. Beim Malen – so Christina Pohl – kommt die Farbe von allein. Hier spielt sie mit den Grüntönen in voller Bandbreite, mal sind sie stumpf und matt und mal heiter und spitz.
Aber Christina Pohl geht es um mehr in ihren Bilder, es sind auch der Zauber und die Kraft, die diesen Orten innewohnen, der Traum vom Paradies, die Paradiessehnsucht, die wir in uns tragen. Wie majestätisch tut sich im Bild „Französischer Garten“ dieses Paradies vor uns auf. Der Pfau, schon in der Antike ein Symbol für Ewigkeit und Unsterblichkeit, führt uns in erhabener Pracht und in zauberhaftem Farbklang diese Sehnsucht vor Augen, sein mit ‚Augen übersätes’ Gefieder – oft mit dem Sternenhimmel verglichen – erinnert aber in Verbindung mit dem Verlust der Schwanzfedern im Winter und dem Nachwachsen im Frühling, gleichsam an Vergänglichkeit und Wiedererstehen.
So stellen sich uns die Gärten als Spielwiese menschlicher Sehnsüchte, Freuden und Lüste dar. „Der Blühende Baum“, rosafarben, in einer kleinen Heckennische von Christina Pohl, erinnert als „Garten im Garten“ an das Paradies als Urwohnung des Menschen. Ist es der Lebensbaum oder der Baum der Erkenntnis?
Voller Lust und Überraschungen, Fantasie, Heiterkeit, Witz und Doppelbödigkeit , Ironie und Farbenpracht entführt uns Christina Pohl in Ihre Bilderwelt, die jedoch auch Teil der unsrigen ist. Denn: „Diese Welt ist durchaus heiter“!

Frizzi Krella, Ausstellung in der Sächsischen Landesärztekammer Dresden, 2009, Auszüge

RotSehen
ROTSEHEN ist eine Ausstellung von 4 Künstlerinnen, die sich gemeinsam über einen längeren Zeitraum mit Frauengestalten der griechischen Mythologie beschäftigt haben. Jede fand ihren eigenen Zugang und ihre eigene Form zu diesem Thema, das sie kritisch hinterfragte: es geht um das tradierte Heldenbild in den europäischen Gründungsmythen und um das Frauenbild darin. Der Titel ROTSEHEN weist auf eine psychische Ausnahmesituation, in der unerhörtes, tragisches Geschehen sich ereignet.
“Rotsehen“ assoziiert aber auch Blut, Blutschuld, Krieg und Mord.
Die Frauen, um die es hier geht, befinden sich in einer Situation, in der sie handeln müssen: ihnen bleibt nur die Wahl aktiv zu werden oder ausgelöscht zu werden. Darin liegt zugleich eine Befreiung aus der ihnen aufgezwungenen Rolle als passives Objekt innerhalb der griechischen Gesellschaft. Mut und Tatkraft galten als männliche Tugenden, zeichnete die Helden, von denen die Sagen berichten, aus. Die Frauen wurden hingegen nicht zu „Heldinnen“, sondern von der Geschichtenschreibung rachsüchtig zu „Unholdinnen“ gemacht, gebrandmarkt für alle Zeiten. Der Ausbruch aus dem Schicksalhaften galt den Zeitgenossen als unverschämt. Frauen wie Medea, Klytemnestra oder Iphigenie stören die patriarchale Ordnung. Sie stellen die Frage nach dem persönlichen Glücksanspruch jenseits abstrakter Ideologien, Moralvorstellungen und Hierarchien. Leidenschaft und Leid sind archetypische Momente, in denen Frauen immer wieder „rotsehen“.
Die Aktualität für uns alle und auch das Beispielhafte daran ist: das Schicksal in die eigene Hand zu nehmen.
Ines Diederich zeigt plastische Arbeiten, Christina Pohl einen Grafikzyklus, Barbara Schreiber Bildteppiche und Katharina Sell die Ergebnisse ihrer Arbeit mit Kindern zu diesem Thema.

Christina Pohl,Ausstellung Rotsehen, Prenzlau, 2009,